21.03.2018
Gute Idee, aber in der Umsetzung ist noch Potenzial.
Am 15. März 2018 wurde die Ausstellung „Deutsche Mythen seit 1945“ im Haus der Geschichte in Bonn eröffnet. Barbara Weber-Dellacroce war besonders auf die Umsetzung eines barrierefreien NFC-Audioguides für blinde Besucher gespannt.
Der Abend war, um es vorweg zu sagen, sehr gelungen und hat die Anreise gerechtfertigt.
Zahlreiche Besucher füllten das Foyer, so dass wir sehr froh waren, früh genug angekommen zu sein. Die Eröffnungsworte von Hans Walter Hütter (Präsident der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland) und Christoph Schwennicke (Journalist und Chefredakteur des politischen Magazins Cicero) waren nicht nur unterhaltsam, spannend und dicht, sondern auch kurz, so dass man viel Zeit für die Ausstellung (und das thematisch passende Büffet mit Currywurst, Kartoffelsalat und Buletten) zur Verfügung hatte.
Die Ausstellung ist inhaltlich und gestalterisch gut gemacht. An dieser Stelle möchte ich mich mit den eingesetzten Vermittlungstools beschäftigen. Eine Vielzahl von Medien kommt in der Ausstellung zum Einsatz. Viele kreativ gestaltete Klappen, Schubladen und Gucklöcher animieren zum Entdecken. Hier werden Fragen gestellt und beantwortet, Einblicke gewährt oder längere Texte platzsparend untergebracht.
An zahlreichen Stellen kommen klassische Medienstationen zum Einsatz, die zum Teil auch mit Einhandhörern für Audiodokumente ausgestattet sind. Eine Selfie-Station mit rotem Thronsessel vor der „Wir sind Papst“-Titelseite der BILD-Zeitung lädt zum Fotografieren ein.
Interessanterweise nutzten an diesem Abend die Besucher vor allem völlig unbefangen die analogen Angebote. Es liegt sicher auch daran, dass Besucher sich bei einer Ausstellungseröffnung generell anders verhalten als zu regulären Öffnungszeiten, aber es war schon ziemlich auffällig, dass ich kaum einen Besucher beobachten konnte, der sich ausgiebiger mit den Medienstationen beschäftigte. Mir persönlich fehlte an den Medienstationen mit Audioangebot eine Lautstärkeregelung, mir waren die Audios schlichtweg zu laut.
Ganz besonders interessierte uns aber der NFC-gestützte Audioguide für blinde Besucher. Im Folgenden würde ich gerne eine kritische Analyse der Umsetzung liefern.
Sehr gut umgesetzt wurde das taktile Bodenleitsystem. Hier wurde verstanden, dass digitale Angebote für blinde Besucher zu Zeit noch nicht ohne taktile Elemente funktionieren, vor allem nicht in kleinteiligen und kurvenreichen Ausstellungen wie in dieser. Auf fast schwarzem Untergrund sind hellgraue, also sehr kontrastreiche, taktile Linien und Aufmerksamkeitsfelder angebracht. So werden blinde und sehbehinderte Besucher sicher zu den Points of Interest und den Audiostationen gelenkt. Dort sind ansprechend gestaltete Stelen postiert, die eine taktile Gestaltung der Oberfläche aufweisen.
Die nun abgespielten Audiodeskriptionen beinhalten nicht nur Informationen zu den Objekten, sondern auch Navigationshinweise durch den Raum und Raumbeschreibungen.
Dies alles ist (soweit ich das als sehende Besucherin beurteilen kann), sehr gut umgesetzt worden.
Da wir aber seit Jahren die NFC-Technologie in unterschiedlichen Bereichen einsetzen und über ein entsprechendes Know-How verfügen, sind uns einige Punkte aufgefallen, die durchaus problematisch sind.
Abschließend ist Folgendes festzuhalten: Die Idee, NFC für den Audioguide zu testen, finde ich natürlich gut. Auch eine Art Pilotversuch vor Einführung einer Technologie ist sicher richtig und empfehlenswert. Allerdings sehe ich hier erhebliche Schwierigkeiten. Der hier gewählte Testaufbau schöpft nicht nur nicht das Potential aus, sondern lässt NFC in einem viel schlechteren Licht erscheinen als dies sein müsste. Es ist halt doch nicht nur der Chip, den man anbringen und auf eine mobile Website verlinken muss. Richtig eingesetzt hätte man ein wirklich inklusives System schaffen können, das allen Besuchern einen intuitiven Zugang zur Ausstellung bieten könnte und vielleicht auch eine digitale Erweiterung der gern genutzten analogen Stationen gewesen wäre. Noch hat die Ausstellung erst eröffnet, Verbesserungen der NFC – Testumgebung wären mit überschaubaren Aufwand durchaus noch möglich. Wir bleiben dran und sind gespannt.